Dr. Schaub analysierte Meyerbeers »Afrikanerin«

"Offenburger Tageblatt" vom 30.5.2004

Wer ist der beliebteste Opernkomponist? Hätte man Mitte des 19. Jahrhunderts die Musikfreunde so gefragt, wäre nicht Mozart, Verdi oder Wagner, sondern allen voran Giacomo Meyerbeer genannt worden: Ein Name, der im 20. Jahrhundert ins Vergessen stürzte und von den Spielplänen verschwand.

In Straßburg wird 2004 das letzte Werk des ehemals enthusiastisch Gefeierten, »Die Afrikanerin«, glanzvoll wieder aufgeführt. Und im Acherner Rathaussaal wurde die Oper am Dienstagabend analysiert. Der sie da »unter die Lupe« nahm, ist ein unter Klassik-Fans ebenfalls Gefeierter, ein ungemein kenntnisreicher, vitaler Erklärer musikalischer Zusammenhänge: Dr. Stefan Schaub, der, inzwischen zum elften Mal, vor einer großen Zuhörerschar drei kurzweilige Stunden lang die musikalischen Nervenstränge der »Afrikanerin« freilegte.

So erfuhren die Zuhörer, wie sich der in Deutschland 1791 geborene Meyerbeer in Abwendung von deutscher Romantik dem italienischen Stil in die Arme wirft und später auch noch den Pomp der französischen Grand Opera musikalisch krönt. Noch vor Verdi und Wagner bereichert er das Opernorchester um neue Instrumente, erzeugt exotische Effekte wie beim ersten Auftritt der Afrikanerin mit der fremdartigen Ganztonleiter-Harmonie.

In seiner Methode fragt Schaub gern »Wie ist es gemacht?« und klärt die Antwort, indem er konkret zeigt, wie ein Wasser-Murmeln oder Sturmes-Toben oder ein Liebestod in der Partitur aussieht. Den Zuhörern wurde klar, dass ein um 22 Jahre Älterer dem jüngeren Verdi zeigt, wie ein dramatisches Akt-Finale hochgejagt und Emotionen eruptiv gesteigert werden können.

Nebenbei schärfte Schaub auch das Ohr für besonders schön musizierte, aber auch jene Stellen, bei denen es zwischen Orchester und Sängern wackelt. Die gestörten Beziehungen zwischen. dem Juden Meyerbeer, und den auf seinen Ruhm neidischen Zeitgenossen (sogar jüdischen Künstlern) blieben nicht unerwähnt. Wichtig sind dem Referenten auch immer die Wirkungen von Musik auf deren damalige Hörer: Was empfanden dabei Menschen, für die es weder Radio noch TV gab?

Die Seminarteilnehmer freuen sich wohl vorbereitet auf die Straßburger Aufführung am Montag.

Albrecht Zimmermann