Stefan Schaub aus Appenweier fesselt Zuhörer mit seinem Wissen über Wagners "Meistersinger", seiner Mimik und seiner Gestik

"Badische Zeitung" vom 9.3.2001

OFFENBURG (rob). Wie entsteht geniale musikalische Kunst? Stefan Schaub aus Appenweier erklärt es - nunmehr bereits zum 18. Mal auf Einladung der Volkshochschule Offenburg. Wie beliebt der "Montag nach Aschermittwoch" - so der Name der Reihe - ist, zeigte der Andrang im Spitalspeicher: Bis hinunter zur Straße stauten sich die Besucher.

Wer die früheren Veranstaltungen kennt, der wundert sich nicht. Wenn Schaub über Musik spricht, so tut er das nicht allein mit Worten, sondern auch mit den Händen. Mühelos reißt er mit seinem immensen Wissen und seinem Enthusiasmus die Zuhörerschaft mit in das Reich der Töne, und so hängen sie nicht allein an seinen Lippen, sondern auch an seinen Fingern, die durch die Luft schweben, dirigieren, veranschaulichen, betonen, pointieren.

Die Mischung macht's: Sachkenntnis, Begeisterung für das Thema, Sprachgewandtheit, Präsenz. Wagners "Meistersinger" - 1859, nach der Fertigstellung von "Tristan und Isolde" begonnen, nach acht Jahren Arbeit vollendet - waren der Gegenstand des Abends, und Schaub begann mit einem Hörbeispiel - aus dem Tristan: verschlungene, wellenartige Klänge, an- und abschwellend, sich niemals auflösende Akkorde, drängend, ziehend. Danach das Vorspiel der "Meistersinger": strahlende (und akkurate) C-Dur-Dreiklänge, klar im Metrum, formstreng.

Schaub formulierte die nahe liegende Frage: Warum? Warum erst aufgelöste, freie Form und dann, im Folgewerk, der "Rückschritt"? Die Antwort gab es in den folgenden zweieinhalb Stunden. Das "klassische" Meistersingermotiv findet seinen Kontrapunkt im "modernen" Motiv von Walther Stolzing, dem ungelernten Genius. Hier die Welt der handwerklichen Kunst - und als Handwerker galten die Musiker, bis Beethoven kam. Dort das "Genie" - der Begriff zu verstehen im Sinne der Romantik. Dazwischen Hans Sachs, selbst ein Meister alten Stils, der von der Pike auf gelernt hat, der aber offen ist für Neues. "Wie fang ich nach der Regel an?", fragt Walther. Und Sachs antwortet: "Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann." Der "Naturbursche" Walther will im Sängerwettstreit die schöne Eva erringen, und legt sich mit der Zunft der Meistersinger an. Schaub zeigt, wie Wagner 600 Jahre abendländische Musikgeschichte in seinem Werk, das streng nach einer mittelalterlichen, ins übergroße transformierten Liedform gearbeitet ist, darstellt - Fuge, Cantus Firmus, Bach'scher Choral, Fuge - und zugleich neue "Formen" erschafft. Ist das Ideal die vollkommene Verschmelzung von Wort und Musik, von Form und Ausdruck des Gefühls, so ist der silbenzählende Poet Beckmesser das Anti-Ideal: Wortklang und -aussage haben sich stramm nach der Form zu richten - eine Szene, die erstklassiges musikalisches Kabarett bietet.

Und Schaub? Er fuhrt überaus plastisch durch diese Kunst-Welt. Wagnersche Wortmächtigkeit wagend: da geht es um "blechtrunkene Akkorde", um "gesungene Sinfonien" und "komponierte Kunstphilosophie" . Gelegentlich entsteht unkalkulierte Heiterkeit: "Oben Eva, unter ihr die Meister." Gemeint sind hier Motive, die in den Höhen respektive Bässen erkennbar sind.

Schaub packt einen einfach. Und er macht Lust auf Musik. Und wenn er erklärt: "Weiter nächste Seite oben", dann blättern 180 Zuhörer synchron um. Jeder Hochschullehrer würde vor Neid erblassen. "Warum hab' ich nicht so einen als Musiklehrer gehabt?", seufzt eine junge Zuhörerin.