Kaum einer in Deutschland kann so geistreich witzig und erhellend über klassische Musik reden wie Stefan Schaub

"Badische Zeitung" vom 18.11.2004

LAHR. Der "Rossini'sche Teilchenbeschleuniger" - wer in der Lahrer Buchhandlung Schlegel beim Vortrag des Musikwissenschaftlers Stefan Schaub zu Gast war, der weiß, dass es sich hier nicht um ein atomphysikalisches High-Tech-Gerät handelt, sondern um das Talent des Opernkomponisten Gioacchino Rossini, mit vergnüglichen Parlando-Arien in sich permanent steigerndem Tempo die Pulsfrequenz seines Publikums zu steigern. Begeistert waren auch die Besucher von Schaubs Art, über klassische Musik zu sprechen und so ganz nebenbei Sachkenntnis in Sachen Klassik zu vermitteln.

Witzige Sprachschöpfungen gehören dazu, aber eben auch enormes Fachwissen. So stellte Schaub seiner Hörerschaft eine Minute Mozart vor, um in der Folgeviertelstunde die musikalischen Ereignisse dieser Mozart-Minute zu analysieren: Das Spiel mit dem Kontrast, den Klangfarben, den musikalischen Themen, den Tempi, und all dies auf kürzestem Raum.

Ausgehend von der ihm oft gestellten Frage nach seinem Lieblingskomponisten, schlug Schaub den Bogen über Beethoven und Berlioz bis Schostakovich, wählte als Einstieg jedoch Auszüge aus Bachs h-Moll-Messe, anhand der er Besonderheiten der barocken Musik darlegte, so den Generalbass oder die Tatsache, dass im Barock unterschiedliche Stimmungen und Tempi nicht wie später bei Haydn und Mozart auf engstem Raum verdichtet werden - gerade das war das Schwindel erregende an dieser Musik - sondern sauber getrennt abschnittsweise nebeneinander stehen.

Anhand der siebenstimmigen Credo-in-unum-Deum-Fuge des Werks zeigt Schaub, wie Bach Zahlensymbolik in sein Werk einarbeitet. Die Zahl eins für das göttliche Eine hebt er dadurch hervor - dass er sie weglässt! Der Generalbass setzt eine Note später ein! Die sieben Fugenstimmen entsprechen den sieben Schöpfungstagen, fünf Stimmen erhält der Chor, zwei die Streicher.

Schaub belegt anhand einer Aufnahme, wie das Hervorheben der Stimmeinsätze Spannung schafft und zeigt zugleich, was er mit "aktivem Hören" meint: "Das Prickeln setzt sozusagen schon vorher ein, wenn man weiß: Jetzt kommt's!". Einen Lieblingskomponist habe er nicht: "Bach - was soll da noch kommen? Und dann hört man Mozart und denkt: Das ist's! Und dann hört man ein Schubert-Lied ..." Die europäische Musik habe so viele Vollendungen.

Großer Beifall des kleinen Publikums für diesen anregenden Abend.

rob